WM-Nachlese: Frischer Wind trotz altem Champion

Mittwoch, 2. Januar 2019 18:37 - Dart News von dartn.de

PDC WM 2019 - Nachlese

Die PDC-Weltmeisterschaft 2019 im Alexandra Palace von London ist Geschichte. Erstmals gab es 96 Teilnehmer und insgesamt 95 Matches an 16 Wettkampftagen. Weltmeister wurde der Favorit Michael van Gerwen. Abgesehen davon schrieben die 26. Titelkämpfe der PDC aber noch viele andere spannende neue Geschichten. Ein guter Grund, um die WM noch einmal einer Nachbetrachtung zu unterziehen.

Der würdige Weltmeister

Vor allem im TV hatte Michael van Gerwen kein sonderlich erfolgreiches Jahr gespielt und den eigenen Ansprüchen nicht genügt. Beim wichtigsten Turnier überhaupt war er dann der beste und konstanteste Spieler und holt sich so verdient zum dritten Mal die Krone. MvG verfiel in jedem Match in gewisse Schwächephasen, doch keiner der Konkurrenten konnte das vollumfänglich nutzen. Am Ende überwogen ohnehin die magischen Momente des Niederländers, der in keinem Match in ernsthafte Schwierigkeiten kam. Der Lohn ist nicht nur der Titel, sondern auch die erstmals ausgeschütteten 500.000 britische Pfund Preisgeld. So wird van Gerwen wohl bis mindestens 2021 die Nummer Eins der Welt bleiben.

Der vielversprechende Finalist

Das große Talent von Michael Smith ist schon lange bekannt. Bei dieser Weltmeisterschaft zeigte er es erstmals durchgehend und spielte so konstant, wie selten. Der „Bully Boy“ ist im vergangenen Jahr spielerisch enorm gereift und so gelang ihm der verdiente Sprung in sein erstes WM-Finale. Er musste bis dahin zwar nur einen einzigen gesetzten Spieler bezwingen, doch auch viele andere große Namen hätten es gegen ihn schwer gehabt. Im Endspiel war mehr möglich für Smith. Chancen für zwei oder drei weitere Satzgewinne waren vorhanden, doch er konnte wohl den Gedanken nicht abschütteln, dass dies das wichtigste Spiel seiner Karriere war. Ein absolut verständlicher menschlicher Zug.

Nun ist die Frage, was dieser zweifellos bisher größte Erfolg mit dem ehemaligen Jugendweltmeister macht. Sein Talent und auch die letzten Äußerungen lassen darauf schließen, dass Smith noch stärker wird und der erste WM-Titel nicht mehr all zu lange auf sich warten lässt. Dass der Mann aus St. Helens zu viel auf einmal will, nachdem er dem großen Triumph so nahe war, ist ebenfalls denkbar. Das hätte dann wohl einen Schritt zurück zur Folge. Nicht nur wir von dartn.de werden den „Bully Boy“ in nächster Zeit ganz genau beobachten. Ein dauerhafter Zweikampf zwischen ihm und van Gerwen könnte mit Sicherheit die ganze Dart-Welt elektrisieren.

Die Favoritenstürze

Schon bevor die ersten Pfeile im Ally Pally flogen war bekannt, dass sich nicht alle der 32 gesetzten in guter Form befinden. Dass die Favoriten aber so dermaßen purzeln würden, hatte wohl kaum jemand auf der Rechnung. Gleich 13 verabschiedeten sich bereits nach ihrem ersten Spiel. Darunter Peter Wright, Gerwyn Price, Mensur Suljovic, Simon Whitlock oder auch Ramond van Barneveld. Daryl Gurney gewann zumindest eine Partie, Titelverteidiger Rob Cross und Europen Champion James Wade schafften es zumindest bis ins Achtelfinale. Die Niederlagen der vielen großen Namen sind auf mehrere Aspekte zurückzuführen. Auf der einen Seite kam keiner der genannten bei seinem Ausscheiden an sein tatsächliches Leistungsvermögen heran. Auf der anderen Seite machten aber auch die jeweiligen Gegner eine gute Figur und nutzten ihre Möglichkeiten.

Ob der vollgestopfte Kalender mit vier großen TV-Turnieren kurz vor der WM ein Grund für das Favoritensterben war, kann nur spekuliert werden. Sicherer kann man sagen, dass die Weltmeisterschaft eine ziemliche Bürde zu sein scheint, die einige der Topstars nicht wirklich tragen können. Für Spieler wie Suljovic oder Price war es ja nicht das erste frühe Scheitern. Für die meisten war es eine vergebene Chance, vor allem für diejenigen in der unteren Turnierhälfte (Wright, Cross, Price, Suljovic, Cullen usw.).

Die Überraschungen

Wenn viele Favoriten früh die Segel streichen, profitieren meistens Außenseiter davon. So war es auch dieses Mal. Nathan Aspinall marschierte nach einem soliden Jahr bis ins Halbfinale. Nachdem er zu Beginn Gerwyn Price ausgeschaltet hatte, folgten noch mehrere weitere gute Vorstellungen von „The Asp“. Seine beste zeigte er im Halbfinale, wobei er das Pech hatte, dass auch Michael Smith hier groß aufspielte. Diese WM kann ein Startschuss für ihn sein, denn im nächsten Jahr ist kein Preisgeld für ihn zu verteidigen.

Im Viertelfinale standen mit Luke Humphries, Ryan Joyce und Brendan Dolan gleich drei weitere Ungesetzte. Humphries trat als „Anführer“ der neuen jungen Garde auf, glänzte gegen Rob Cross und hinterließ auch sonst einen guten Eindruck. Joyce und Dolan profitierten oftmals von mäßigen Auftritten ihrer Gegner und hatten wohl auch die Auslosung als ihren Vorteil. Man sollte nicht allzu überrascht sein, wenn sie 2019 nicht an dieses Ergebnis anknüpfen können. Das gilt auch für den Achtelfinalisten Devon Petersen. Der Südafrikaner lieferte seine stärksten Leistungen seit langem ab. Zuvor hatte er allerdings mehrere sehr dürftige Jahre. Da bei der WM so viel Preisgeld ausgeschüttet wird und er das Glück hat, als bester Afrikaner meist gute Chancen beim afrikanischen Qualifikationsturnier zu haben, konnte er über 70 Prozent seines Preisgelds in der Rangliste über die letzten beiden Weltmeisterschaften einspielen. An dieser Stelle darf schon bezweifelt werden, ob es sinnvoll ist, wenn ein Spieler allein durch zwei Weltmeisterschaften seine Tourkarte sichern kann.

Die jungen Wilden

Neben Humphries konnten noch weitere junge Spieler aufscheinen. Ryan Searle erreichte die letzten 16 und auch Dimitri van den Bergh ließ sein großes Talent aufblitzen und Jeffrey de Zwaan hatte großes Pech, ausgerechnet in Runde Zwei auf einen brillanten Rob Cross zu treffen. Auch Chris Dobey hatte Gary Anderson am Rande einer Niederlage. Es ist anzunehmen, dass in nächster Zeit die Spieler der PDC-Jugendtour weiter Druck auf die Etablierten ausüben. Ein Abgesang auf ältere Spieler wie Wright, Anderson, Suljovic oder Whitlock käme jedoch deutlich zu früh.

Die deutschen Teilnehmer

Zum ersten Mal gingen gleich vier Deutsche bei dieser Weltmeisterschaft an den Start. Angeführt vom erstmals gesetzten Max Hopp, der mit einer besseren Auslosung genau so gut einer der großen Überraschungen des Turniers hätte sein können. So aber unterlag er Michael van Gerwen und hätte dem Branchenprimus durchaus noch etwas mehr Schwierigkeiten bereiten können. Gabriel Clemens bezwang zunächst Aden Kirk klar, ohne dabei an sein A-Game heranzukommen. Das zeigte „Gaga“ dann im Duell mit John Henderson, wo es knapp nicht zum Sprung in Runde Drei reichte. Spätestens mit diesem Auftritt hat Clemens Lust auf mehr gemacht.

Keinen Sieg gab es für die beiden anderen des deutschen Quartetts. Martin Schindler blieb unter seinen Möglichkeiten und unterlag so Cody Harris durchaus unnötig mit 2:3. Der junge Strausberger hat vor allem für die Verbesserung seines Bühnenspiels noch Arbeit vor sich. Robert Marijanovic gab gegen Richard North eine 2:0 Führung her, eine bittere Niederlage für den Freudenstädter. Da sich der „Robstar“ allerdings in seinem ersten vollen Jahr auf der Tour schon enorm gesteigert hat bleibt zu hoffen, dass er daran in 2019 anknüpfen und es bei der nächsten WM besser machen kann.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass aus deutscher Sicht etwas mehr möglich gewesen wäre. Das gilt auch für die Österreicher. Mensur Suljovic enttäuschte beim 1:3 gegen Ryan Searle. Rowby-John Rodriguez gab nach einem verheißungsvollen Auftaktsieg ebenfalls einen 2:0 Vorsprung aus der Hand.

Frauen-Power

Weil bei dieser Weltmeisterschaft so viele Rekorde gebrochen wurden, kann hier gleich noch über einen weiteren berichtet werden. Erstmals gingen zwei Damen an den Start. Der erste Satz von Lisa Ashton mit einem 107er Average wird wohl noch lange in Erinnerung bleiben. Auch wenn es am Ende für sie nicht ganz mit dem Weiterkommen klappte. Die zweite Frau im Bunde hatte scheinbar mit sich selbst zu kämpfen. Eine gewisse Unzufriedenheit war bei Anastasia Dobromyslova früh zu erkennen. Ein Faktor, der dazu führte, dass die Russin zu viel wollte und so 0:3 verlor.

Aus der Sicht des Autors wäre es wünschenswert, wenn auch bei den kommenden Weltmeisterschaften Damen an den Start gehen würden. Hier müsste die PDC aber auch etwas nachhaltiger denken. Es reicht nicht, einmal im Jahr die Damen einzuladen. Eine eigene Tour wäre durchaus wünschenswert. Abgesehen davon stehen aber auch die Damen in einer gewissen Pflicht. Sie haben schon immer die Möglichkeit, Turniere der PDC mitzuspielen, sich jede Woche mit den besten zu messen und besser zu werden. Es wäre großartig, wenn die ein oder andere davon in nächster Zeit auch Gebrauch machen würde.

Das Fazit

Insgesamt war es eine spannende, abwechslungsreiche und in jeder Hinsicht historische Weltmeisterschaft. Nun gilt es für alle Beteiligten, ihre Lehren daraus zu ziehen. Diejenigen, die ein gutes Ergebnis erzielt haben, müssen das in der kommenden Saison bestätigen. Die früh ausgeschiedenen sind in der Pflicht, in 2019 wieder positive Schlagzeilen zu schreiben. Ob es tatsächlich eine Aufstockung auf 96 Teilnehmer gebraucht hat, ist schwierig zu beantworten. Nicht von der Hand zu weisen ist, dass die Ungesetzten einen kleinen Vorteil haben, wenn sie bereits ein Spiel gemacht haben, bevor es gegen die Gesetzten geht.

Beheben könnte man das nur mit einer erneuten WM-Erweiterung auf 128 Teilnehmer. Für den jetzigen Zeitpunkt wäre das allerdings deutlich zu viel. Es wäre schade, wenn dieses Großereignis zu groß würde und das eine gewisse Sättigung zur Folge hätte. Sicher ist bereits, dass wir in gut elf Monaten wieder mit genau so viel Vorfreude und Leidenschaft der 27. Weltmeisterschaft entgegenfiebern werden.

Weitere Informationen zur Weltmeisterschaft:

Alle Informationen zur WM gibt's auf unserer [Dart WM Turnierseite]
Für Diskussionen und Fragen zum Turnier [Dart Forum]

Foto-Credit: PDC/Lawrence Lustig

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Quelle: dartn.de

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