Kommentar: Hass gegen Spieler - muss das sein?

Samstag, 26. Dezember 2020 17:54 - Dart News von dartn.de

Max Hopp steht im Zentrum vieler Kritik, sachlich bleibt sie selten.

Nach der Niederlage von Max Hopp gegen Mervyn King waren sie wieder da: Unsachliche, teils mit Hass erfüllte Kommentare. Auch Gabriel Clemens muss sowas mittlerweile über sich ergehen lassen. Warum sind unsere deutschen Dart-Profis so zum Abschuss freigegeben und geht es nicht auch anders? Ein Kommentar unseres Redakteurs Moritz Käthner.

Es wird mal wieder über Max Hopp diskutiert, jahrelang der beste Dartspieler Deutschlands und damit auch Zentrum vieler Diskussionen. Ebenfalls seit Jahren hat sich die „Diskussion“ um seine Person nicht weiterentwickelt, zwei Fronten stehen sich immer verhärteter gegenüber. Auf der einen Seite die positiv Gestimmten, die ihm nach fast jedem Spiel eine tolle Leistung attestieren und häufig das junge Alter als Freibrief für jeden Entwicklungsrückschritt sehen. Auf der anderen Seite gibt es Hass, Negativität und letztlich Freude über den Misserfolg eines anderen Menschen. Doch wie so oft sollte man die Wahrheit in der Mitte suchen.

Medialer Druck und Warten auf den "Barney-Moment"

Am Anfang steht das eigentlich positive Interesse am Erfolg eines deutschen Spielers. In allen populären Einzelsportarten haben oder hatten wir wenigstens einen deutschen Spieler in der absoluten Weltspitze. Es passt also zum Selbstverständnis des deutschen Zuschauers, auch irgendwann einen deutschen Top-Star erleben zu wollen. Der „Barney-Moment“, an dem der Dart-Boom in den Niederlanden festgemacht wird, wird ungeduldig herbeigesehnt – auch medial.

Wenn wir von ausbleibenden Erfolgen deutscher Spieler reden, kommen wir um das Thema des medialen Drucks nicht herum. Nicht weniger als der Weltmeister-Titel scheint manchmal der Gradmesser für eine erfolgreiche Karriere zu sein. Auch als vermeintlich neutraler Berichtschreiber muss man sich kritisch hinterfragen, ob ein Ausscheiden immer gleich ein „Scheitern“ ist oder „nicht ausreichend“ war. Häufig leitet sich dann die Bewertung aus dem Ergebnis ab und nicht mehr aus der Leistung. Selbst heute, wo DartConnect jeden Pfeil verfolgbar macht, hört man „hat gegen XY verloren“ und malt sich die schlechte Leistung gleich dazu. Bis in die Statistiken schafft es der schnelle Leser nicht und das sieht man dann auch in den Kommentarspalten. Die Funktionsweise der Medien trägt daran eine Mitschuld: „Hopp scheitert in Runde 2“ klickt sich bei einem unwichtigen Turnier vielleicht besser als „Hopp scheidet in Runde 2 aus“ oder gar "Hopp erreicht Runde 2". Dagegen wird jeder Erfolg sensationsgeil ausgeschlachtet.

Dabei spielt in Deutschland ein weiteres Problem eine Rolle: Das Medien-Interesse lastet auf wenigen Schultern. Ein Jeffrey de Zwaan musste sich nach seinem WM-Ausscheiden keine Sorgen machen, von der niederländischen Presse auseinandergenommen zu werden, ein Engländer schon gar nicht. Der Deutsche hingegen muss sich rechtfertigen, warum es „wieder“ nicht geklappt hat. Häufig widerspricht das Ergebnis dann auch der Erwartungshaltung, die von vermeintlichen Experten vorher geschürt wird. Am Ende kann der Druck wie in einem Teufelskreis wachsen, mit jedem „Scheitern“ wächst der Druck, der das nächste „Scheitern“ verursacht.

Diskussionsbeiträge, die ich nicht mehr hören kann

Auf diesem Nährboden wachsen dann die Aussagen von Menschen, die den Dartsport durch einen Filter verfolgen, der fernab jeglicher Realität ist. Die nicht annähernd nachvollziehen können, was es bedeutet, um Tausende Euros zu spielen. Die nicht wissen, wie sich ein Spiel auf einer Bühne und vor TV-Kameras anfühlt. Die nicht verstehen, wie sich Nebengeräusche (private Probleme, zusätzlicher Druck durch Sponsoren, meinetwegen ein schlechtes Bett im Hotelzimmer) auf die Leistung auswirken. Beispielhaft liste ich mal Beiträge aus den Kommentarspalten von Facebook und Co. auf, die meiner Meinung nach keine Grundlage haben und doch immer wieder fallen.

„Der hat nur eine große Klappe!“

Ob es einem ins Weltbild passt oder nicht, Hopp hat vor der WM tiefgestapelt – ja, die erste Runde gegen Mathers musste er gewinnen. Jeden weiteren Sieg sah er als Bonus, zumal er nicht das beste Jahr hatte und es gegen einen formstarken Mervyn King ging. Trotzdem liest man wieder Kommentare á la „Erst Töne spucken und dann nicht abliefern“. Was das mit der Realität zu tun hat, weiß ich nicht. Außerdem muss sich jeder fragen, ob man seine Aussagen an Überschriften misst oder auch anhand der zugehörigen Einschränkungen, die es aber nicht in die Titelzeile geschafft haben. Wenn Hopp davon spricht, Weltmeister zu werden, gibt er dafür kein Zeitfenster an, die Ungeduld der Menschen vermindert das gleichwohl nicht.

„Aus dem wird nie was!“

Ein Satz, der auf so vielen Ebenen falsch ist. Zum einen unterstellt man mit der Aussage, dass Hopp noch keine Erfolge vorzuweisen hat. Junioren-Weltmeister, EM-Halbfinalist, erster deutscher Titelträger und Top-32-Spieler bei der PDC, sieht so Misserfolg aus? Noch dazu im Alter von 24 Jahren? Außerdem stört mich die Endgültigkeit („nie“), mit der die Aussage gefällt wird. Hätte man einem Michael van Gerwen nach den verlorenen Junioren-WM-Finals vor nicht mal zehn Jahren sagen sollen, dass er scheinbar nicht in der Lage ist Finals zu gewinnen und es gleich sein lassen kann? Vielleicht geht es da auch gar nicht mehr um den Inhalt. Natürlich freuen sich Menschen, die so eine These aufstellen, an jedem Misserfolg, weil er die eigene Position stärkt – frei nach dem Motto: „Ich habe Recht und du nicht.“ Das Sportliche spielt längst keine Rolle mehr. Jede Reaktion darauf ist eine Anerkennung, die solche Kommentare nicht verdient haben.

„Der tut viel zu wenig für seinen Erfolg!“

Das ist nicht einfach nur eine Meinung, sondern eine böswillige Unterstellung. Zugrunde liegt die Vermutung, dass Erfolg grundsätzlich das Ergebnis harter Arbeit ist. Wenn sich also kein Erfolg einstellt, muss es an fehlender Arbeitshaltung liegen, andere Erfolgsfaktoren werden ausgeklammert. Noch dazu ist die fehlende Arbeitshaltung unterstellt, weil sie für Außenstehende überhaupt nicht nachzuprüfen ist.

Natürlich gehört es zur Wahrheit, dass man Dinge ansprechen und kritisieren muss, doch dann auch bitte sachlich fundiert. Dazu macht auch an dieser Stelle der Ton die Musik.

Fan-Nähe wird abgebaut

Die angegebenen Kommentare sind leider noch sachlich gegenüber dem, was viele Spieler in Direktnachrichten weit unter der Gürtellinie über sich ergehen lassen müssen. Der Dartsport nimmt dabei leider keine Sonderrolle gegenüber anderen Sportarten ein, es leidet aber ein Alleinstellungsmerkmal unseres Sports: Die Nähe der Spieler zu den Fans. Als Reaktion wenden sich die Spieler nämlich von den sozialen Medien ab, teils übernimmt die Familie oder der Manager den Online-Austausch. Von einer Mediensperre vor einem großen Turnier ganz zu schweigen. Am Ende müssen sie sich dann nachsagen lassen, nicht Fan-nah oder gar abgehoben zu sein.

Ich kann den Schritt der Spieler sehr gut verstehen, doch wäre es nicht schöner, wir lassen die blöden Kommentare sein? Setzen uns kritisch, aber nicht beleidigend mit den Leistungen der Spieler auseinander? Freuen uns über jeden Deutschen, dem wir die Daumen drücken können? Dann könnten wir vielleicht eine offene Diskussion erleben, die nicht nach drei Kommentaren abgebrochen wird, weil man sich gegenseitig an den Kragen will. Und alle hätten mehr davon, auch die Spieler, die sich nicht darum sorgen müssen, nach einem schwachen Auftritt zerrissen zu werden. Auch so ein positives Gefühl kann das letzte Prozent zum großen Erfolg sein. Und über den freuen wir uns dann alle gemeinsam.

Weitere Informationen zur Weltmeisterschaft:

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Foto-Credit: PDC/Lawrence Lustig

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Quelle: dartn.de

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