Game On… Nr. 03 – Dart in Deutschland – Quo vadis, oder das wird schon…

Dart in Deutschland – Quo vadis, oder das wird schon…

Was haben wir uns gefreut, als wir Mitte der 80ger Anfang der 90ger von irgendeinem
Insider schlecht aufgenommenes Dart-Material in Form einer VHS-Kassette

Dartsport Video in den 80ern
Dartsport Video in den 80ern

erhalten
haben. Man war der König im Verein, wenn man diese Tapes sein Eigen nennen
konnte. „Die ist direkt aus England!“, ja ja sicherlich, keiner wollte
zugeben, dass man die Aufnahmen über Umwege aus neunter Hand erhalten hatte.
Ich erinnere mich noch gut an mein erstes Spiel, welches mir fast wie Hehlerware
auf einer Kassette überreicht wurde. Keith Deller
gegen Leighton Rees,
mein Gott war das grandios. Das Spiel muss in der Zeit zwischen 1980 und 1984 aufgenommen
worden sein, uns war es auf jeden Fall egal, es hätte von 1929 sein können.
Ob alleine oder im Kreis der damaligen Dart-Kollegen, ich habe das Spiel mindestens
200mal angeschaut und mitgefiebert. Zum Schluss wusste ich die Scores aus jedem
einzelnen Leg fast auswendig.

Damals wie heute kann ich kein Dart-Match im Fernsehen verfolgen ohne zwischendurch
an die Oché treten zu müssen um selbst ein paar Pfeile zu werfen. Noch
heute muss ich spielen, wenn auf DSF die Werbung läuft. Nein, ich habe keinen
SKY-Decoder. Okay, ich habe mittlerweile einen DVD-Rekorder, welchen ich quäle,
wenn der Fernsehsender meines Herzens live oder aus der Konserve überträgt
und berichtet. Eine Automarke mit „A“? Smart… Ähhh, ja ´ne
is klar!

Ich konnte es nicht glauben, als ich am 22.12.2004 um 16:22 Uhr durch eine eMail
von Dietmar Ernst erfuhr, dass ein Fernsehsender in Deutschland sich meiner Leidenschaft
annimmt. Dart live im DSF, und dann auch noch die Weltmeisterschaft der PDC, Taylor
live im Deutschen TV, unglaublich! In den Tagen vor Beginn der ersten

Dartsport Übertragung im DSF
Dartsport Übertragung im DSF

Liveschaltung
kaufte ich sämtliche VHS-Bestände aller umliegenden Supermärkte auf.
Während der ersten Übertragungen riefen dutzende Menschen aus meinem Umfeld
an, immer mit dem gleichen Satz „Sag mal, Du spielst doch Dart, weißt
Du eigentlich, das gerade beim DS…“ „Ja, ich weiß, ich muss weiterschauen,
tschüss!“ Immer wieder habe ich Menschen am Telefon mit diesem Satz abgewimmelt.
Es war einfach zu wichtig…

Plötzlich war man in seinem Freundeskreis angesehen. Man war nicht einfach
nur noch der Typ, der sich mit seinen Freunden besäuft und nebenher ein paar
Darts wirft, nein, man war plötzlich ein Dartsportler, der mit seinem Freunden
Dart spielt und sich nebenher besäu… Egal. Endlich die volle Akzeptanz auf
ganzer Linie-Aquavit! Was wurde in jedem Dartverein diskutiert, war das schön.
„Da muss endlich ein Deutscher hin!“, da waren wir uns alle einig. Nur
wie und wer sollte es sein?

In der Zwischenzeit, also in der Hochphase unserer Lieblingssportart, wurde ein
neuer Dartverband gegründet, wohlgemerkt von Menschen die bis zu diesem Zeitpunkt
vom Dartsport so weit entfernt waren, wie mein Können von dem eines „Lord
of the dance“! Es ist gut zu sehen, dass Menschen kommen, welche mit viel Herzblut
und noch mehr Eigenkapital versuchen den Dartsport dahin zu bringen, wo er für
uns Spieler und Caller schon immer hingehört – nach oben! Der deutsche Dart-Boom
war so schön, dass man leider vor lauter Schönheit vergaß, diesen
zusätzlich ein wenig positiv zu steuern. Sicherlich, man war plötzlich
Gesellschaftsfähig, wenn man sich mit seinem Nachnamen und am Besten noch mit
dem Zusatz „Ich bin Darthändler!“ vorstellte. Eine Unzahl neuer Tungsten-Dealer
entsprang den Gewerbeämtern, geblieben sind die Restposten, welche heute von
denen aufgekauft werden, die sich schon seit zehn oder mehr Jahren am Markt etablierten.
Ungeachtet aller noch so großen Boom-Fantasien oder Zukunfts-Spinnereien.

Knapp 36 Monate später muss man erkennen, dass anscheinend eine gewisse Sättigung
stattfindet bzw. eingetreten ist. Dem germanischen Dart-Hype ist kein Superstar
der Güteklasse eines Herrn Barnevelds entsprungen, eher ein Hauen und Stechen
um das noch so kleine Kuchenstück hat eingesetzt. Erschreckend ist die gewonnene
Erkenntnis, dass man es anscheinend in Deutschland keinem wirklich recht machen
kann. Noch nicht mal den Dartspielern, welche noch vor einiger Zeit in Verzückung
gerieten, wenn sie z.B. einem Phil Taylor über die Schulter schauen durften.
Traurig aber wahr, wir sind nicht in England! Selbst in Holland, kurzweilig unser
Sisal-Vorbild, ist deutlich zu erkennen, dass sich eine gewisse darterische Trägheit
eingeschlichen hat. Exhibitions mit den Vorzeigeobjekten unserer Sportart werden
in Holland momentan genauso dürftig besucht, wie hier zu Lande. „Ach so,
der Taylor kommt, na ja…“ Sätze die vor knapp drei Jahren noch undenkbar
gewesen wären. Meine erste Exhibition erlebte ich im Rahmen der „Oberschwaben
Open“ 1989. John Lowe war der Superstar an diesem Abend. Monate vorher freute
ich mich wie ein kleines Kind auf dieses Turnier. Ein Erlebnis, welches ich bis
heute nicht vergessen habe.

Als Caller verschiedener Exhibitions und Beobachter der Dartszene, muss ich nun
leider feststellen, dass die Veranstalter solcher Events immer mehr ins Grübeln
kommen, ob eine solche Veranstaltung überhaupt noch sinnvoll und/oder rentabel
ist. Was machen wir, wenn Spieler wie Barney oder Taylor im verdienten Ruhestand
sind? Wen kann

Wayne Mardle Exhibition Dortmund
Wayne Mardle
Exhibition Dortmund

man noch verpflichten, damit wenigstens die ersten drei Reihen
besetzt sind? Taylor und Barneveld kann man ja mittlerweile entweder per DVD im
Internet bestellen oder hin und wieder zwischen dem „Eine Automarke mit W?“-Rätsel
beim DSF sehen. Barney in Bad Soden, Mardle in Hagen, Taylor in München und
alle gemeinsam in Halle oder Kirchheim. Darterherz, was willst Du mehr? Diese Frage
haben sich mittlerweile wahrscheinlich die meisten Menschen gestellt, deren Liebe
und Freizeit dem Dartsport gehört. Vor allen Dingen stellt sich anscheinend
das DSF momentan genau die gleiche Frage. Die Antwort darauf zu finden ist umso
schwerer! Die Mentalität der Deutschen lässt es anscheinend leider nicht
zu, dass Erfolg und Freude ausgelebt, oder das Erreichte über eine gewisse
Dauer gefeiert wird. Jedes mal könnte ich mich bis zur Bewusstlosigkeit streiten,
wenn mir jemand erzählt, dass Michael Schumacher langweilig war, da er meist
als Sieger die Strecke verließ! Wir Deutschen sind schon ein komisches Volk.
Wir können einfach nicht feiern.

Der typische Deutsche ist nicht glücklich, wenn er nichts zum Diskutieren findet,
oder sich über nichts ärgern kann. Klingt komisch, ist aber so! Hauptsache
sinnlos… Warum muss ich gerade an schwarze Stoffhosen denken? Warum wird vor und
nach jedem Turnier eine über Tage andauernde Debatte eröffnet, ob eine
schwarze Stoffhose sinnvoll ist und wenn ja, warum? Holländische Darter kommen
in schwarzen Hosen zur Welt! Kein „van der Gottweißwie“ würde
auf die Idee kommen, die Gründe für einen „schwarze Hose“-Zwang
per eMail beim Veranstalter zu erfragen. Viel weniger würde er es in einem
Forum debattieren. Warum tun wir Deutschen das? Wir stehen im E-, F- oder C-Block
und tragen das gleiche Trikot wie tausend andere Zuschauer auch, nur um unseren
Lieblingsverein im Stadion zu unterstützen. Tausende Bankangestellte stehen
jeden Tag im Anzug am Schalter, Fußballer tragen das gleiche Trikot, Ärzte
meist weiße Kittel, Billardspieler tragen Westen, nur der Dartspieler will
möglichst in Jeans und einem schicken T-Shirt mit Hanfpflanze oder Stinkefinger
am Boom teilnehmen. Im Sommer sieht man dann zusätzlich Darter in einem schick
bedruckten Dartshirt, kurzen Hosen, Tennissocken, modischen Treckingsandalen und
einem Handtuch im Hosenbund. Mahlzeit.

Eine schwarze Stoffhose in der richtigen Größe ist – wohlgemerkt sie
hört nicht 7,5cm über dem Knöchel auf – äußerst bequem
und sieht zudem sehr gut aus. Meist ist sie günstiger als die Produkte bekannter
Jeans-Hersteller und Oma freut sich, wenn wenigstens einer auf der nächsten
Familienfeier mal ordentlich rumlauft. Man sieht, die schwarze Hose ist ein Multitalent.
Schon mal ´nen Golfer in Jeans gesehen?

Wir sollten schnellstens aufhören über solch nichtige Dinge zu diskutieren,
sonst dürfen wir uns nicht wundern, wenn die zweitliebste Frage der Deutschen
Darter nicht beantwortet werden kann. Das fehlende Sponsoring. Keine noch so kleine
Firma wird ihr hart verdientes Geld in einen Sport investieren, indem es normal
ist, dass der Darsteller rumlaufen kann, als wäre er auf der Durchreise in
den Urlaub. Mallorca ist was anderes. Das allgemeine Erscheinungsbild des Darters
sollte gründlich überdacht werden. Erste Ansätze zeigte die GDC recht
erfolgreich in Ihren Regel-Statuten. Es macht einfach keinen Sinn über ein
Sponsoring zu reden, wenn der einzelne Spieler nicht bereit ist, selbst an sich
etwas tun zu wollen. Man verkauft nicht nur sein spielerisches Talent, man verkauft
an erster Stelle immer die eigene Person. Das beginnt mit dem Aussehen. Es gibt
keine zweite Chance für den ersten Eindruck! Fragen wie „Auf der German
Masters mussten wir eine schwarze Hose tragen, was ist beim nächsten Turnier?“
müssen sich zukünftig einfach erübrigen. Dem DDV würde es ebenfalls
gut zu Gesicht stehen, wenn er eine entsprechende Kleiderordnung schnellstmöglich
konsequent umsetzen würde.

Momentan gibt es eine Vielzahl von Menschen die mit allen Mitteln versuchen den
Deutschen Dartsport zu pushen. Dies alles nutzt selbstverständlich nichts,
wenn der Deutsche Darter mal wieder, wie viel zu oft, nicht mitzieht. Man muss aufhören
alles hinterfragen und kaputt reden zu wollen. Wir sollten alle unserem Hobby zu
liebe den typisch Deutschen aus uns verbannen. Denn wenn der Negativtrend anhält,
werden die englischen und holländischen Profis unser Land nicht mehr besuchen
und das Gejammer der vergangenen Jahre würde von vorne beginnen. Lasst uns
die Turniere besuchen an denen Profis teilnehmen, lasst uns Exhibitions besuchen,
an denen die Stars ihr Können demonstrieren.

Wir hatten und haben glücklicherweise hervorragende Dartspieler in unserem
Land, nur leider gelang bisher noch keinem der richtig große Wurf. Dies würde
sich schlagartig ändern, wenn ein Deutscher(oder Österreicher) im Dezember
zwei bis drei Runden überstehen würde. Michael Rosenauer
wird bei der World Darts Trophy
alles versuchen, um den Deutschen Dartsport würdig zu vertreten. Das Ziel ist
ins Hauptfeld zu gelangen. Der dreifache World Master Champion Bob Anderson
ist sein erster Gegner. Man kann gegen Anderson jederzeit verlieren, aber Rosi501
ist momentan in der Form seines Lebens. Ganz Dart-Deutschland sollte ihm die Daumen
drücken, und ihn merken lassen, dass man geschlossen hinter ihm steht. Am 18.08.
wird er in Köln-Hürth ebenfalls alles daran setzen, seinem Traum vom Alexandra
Palace einen Schritt näher zu kommen.

Unicorn war die erste Firma die erkannte, welches Dart-Potential in Deutschland
vorhanden ist. Selbst der größte Optimist hätte es vor Jahren nicht
für möglich gehalten, dass es Deutsche geben würde, die einen Sponsorvertrag
mit dem weltgrößten Darthersteller schließen. Das Interesse seitens
Unicorn zeigt deutlich, dass wir auf einem guten Weg sind, komme was wolle! Noch
vor einiger Zeit hätte man für Lacher gesorgt, hätte man erzählt,
dass Deutschland ein zukunftsträchtiges Dartland geben sollte. Spieler wie
Taylor, Barneveld oder Mardle lieben Deutschland und seine Fans. Wayne Mardle
erzählte mir, dass er niemals zuvor mit einem solchen Respekt und Freundlichkeit
empfangen wurde. Es sollte unser Ziel sein ständig den Vergleich mit den internationalen
Größen des Dartsports zu suchen. Jeder einzelne Spieler, welcher sich
zu darterisch Höherem berufen fühlt, muss auf Dauer ein solch wichtiges
Kräftemessen anstreben. Egal ob bei einem WDF- oder PDC-Turnier, oder auf einer
Exhibition.

Die eventuelle Reduzierung der Dartübertragungen seitens des DSF ist eine schallende
Ohrfeige für alle, die es schon immer besser gewusst haben. Die permanenten
Nörgler, welche immer mit erhobenem Finger aufzeigten, bekommen nun evtl. die
Quittung. Zum Leidwesen aller, die mit ein paar Minuten decoderlosem Dart zufrieden
waren.

Lasst uns erst zufrieden sein, wenn der erste Dartspieler Gast im „Aktuellen
Sportstudio“ war! Unterstützt den Verband Eurer Wahl, egal ob E- oder
Steel-Dart, oder beides. Besucht die Competitions der umliegenden Vereine, sagt
klar und deutlich was ihr wollt, oder eben nicht, jedoch ohne den typisch Deutschen
raushängen zu lassen. Denkt an die Oma und kauft Euch ´ne schwarze Hose!
Jeder einzelne Dartverrückte kann bewirken, dass Dart groß wird in Deutschland
– das tun was Sinn macht!

Ansonsten ab ans Board und „Practise, Practise, Practise“! Es macht keinen
Sinn, wenn man den Unterschied zwischen einem Straight Flash und einem Royal-Flash
kennt, aber leider die Tops nicht trifft!

Gebt Gas, das wird schon…

Ach so, die Automarke mit „W“ ist nicht BMW oder VW, es ist der Mitsubishi
Space Wagon… Wie einfach!

„Game On…“

 

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