Game On… Nr. 8 – Tungsten fools…
„Ich komm‘ mit denen einfach nicht mehr klar, wie die heute
wieder fliegen!
Mein Gott, wie stecken die denn wieder im Board? Wahnsinn, mit den
Dingern habe
ich überhaupt keinen Grip mehr! Darf ich Deine mal haben…?“
Aussagen, wie sie ein jeder von uns kennt und schon von anderen hörte! Jeder
Dartspieler
kennt dieses grausame Problem! Sind meine Darts noch die Richtigen,
oder sollte
ich mal wieder eine neue Barrelform ausprobieren? Kann ich durch
neue Darts meinen
Average eventuell steigern, können mich andere Darts sogar aus
einem Formtief
bringen? Ist das Gewicht meiner Darts noch das Richtige? Sollte ich
schwerere bzw.
leichtere Darts testen?
Fragen die sich jeder Darter bereits stellte, ich behaupte
ausnahmslos. Zu Beginn
einer Karriere startet das Fiasko mit der Wahl der passenden Darts.
Jeder Anfänger
hat und kennt dieses Problem. Meistens wird das erste eigene Set
Darts ein Abbild
der Darts, welche wir von irgendeinem Menschen in die Hand gedrückt
bekamen,
meist mit den Worten „Probier die mal, die müssten Dir liegen!“
Ich
bin heilfroh, dass es bei der Partnersuche nach einem anderen
Schema abläuft.
Nun gut, wir kaufen die ersten Darts aufgrund von Vertrauen,
schließlich hat
einer gesagt, „die müssten dir liegen“. Stimmt, im Liegen sind
sie
klasse, nur fliegen tun sie leider richtig scheiße! Eine Erfahrung
die ich
in den letzten 22 Jahren recht häufig machen musste. Nicht umsonst
umfasst
meine Sammlung ca. 70 Satz Darts. Soll noch einer sagen, Dart sei
ein günstiger
Sport! Der Barrel ist die Wurzel allen Übels! Von Shafts und
Flights möchte
ich gar nicht sprechen.
Wie oft haben wir versucht den Wurfstil eines berühmten
Dartspielers zu kopieren,
dessen Darts gekauft, in der Hoffnung unsere eigene Leistung zu
steigern? Warum
hängen die Darts von Raymond van Barneveld
jetzt nach unten? Verstehe, er hat die Darts, Flights und Shafts
gewechselt! Okay,
also schwere, lange Darts müssen her, lange Shafts werden gekauft
und mit Slim-Flights
bestückt. Und nun ganz locker wie
Barney
in die 60! Oops… fette 12 und nach unten hängen die auch nicht! Was
ist hier
falsch gelaufen? Richtig, wir hätten uns noch die passenden
Buffalo-Schuhe
mit dem 15 Zentimeter-Absatz kaufen müssen, um auf die gleiche
Abwurfhöhe
zu kommen! Barney wirft die Triple 20 von oben… Nicht schwer bei
einer Körpergröße
von ungefähr 1.95m! Das könnte der Unterschied gewesen sein. Andere
liegen
heute noch im orthopädischen Streckbett, weil sie mit aller Macht
den Wurfstil
von Taylor kopieren wollten. Nein, entgegen aller Behauptungen im
DSF, Taylor hält
den Dart nicht mit zwei, sondern mit drei Fingern. Vielleicht war
es ja genau dieser
Grund, warum sich der Dritte vom vierten Brustwirbel
verabschiedete… Who
knows?
Haben wir nicht alle schon mal versucht den Wurfstil eines
unserer „Heros“
zu imitieren? Mein Versuch einer perfekten Peter Manley-Kopie
scheiterte kläglich an der Höhe meines Hüpfen! Okay, er ist
schließlich
auch nicht mein wirklicher Dart-Hero.
Jüngstes Opfer der momentanen TWK (med. für
„Tungsten-Wechsel-Krankheit“)
ist kein geringerer als Phil Taylor
selbst. Zu Beginn seiner Karriere spielte er einen handelsüblichen
Eric Bristow-Dart.
Später, nach Abschluß seines Vertrages mit Unicorn, wurde ihm
eigens
ein Dart maßgeschneidert. Dieser ist mit Sicherheit mittlerweile
einer der
meistverkauften Barrels der Welt. Unzählige Titel gewann er genau
mit diesem
Dart. Jahre später folgte der Taylor Purist mit mehr Grip am Ende
des Barrel,
gefolgt vom Taylor Scalloped, der mit der Griffmulde. Darauf ging
es zurück
zum Purist, dann zum Sigma-Dart und nun zu einer Mischung aus
„John Lowe
Golden Hero und Sigma“. Wir erinnern uns, der „sigma“ ist der
Dart,
welcher von Taylor vor 10 Tagen als der Beste, welchen er jemals
hatte, bezeichnet
wurde. Nun musste der Beste bereits einem anderen Modell weichen.
Das ständige
Wechseln ist das Anzeichen von massiver Unsicherheit, welche im
Kopf und nicht in
der Hand, oder im Arm entsteht. Nach einigen
Niederlagen
und einem schlechten Jahr 2007 sucht „The Power“ mit aller Macht
nach
dem Schlüssel zu seinem verloren gegangenen Selbstbewusstsein.
Andere Spieler
investieren mittlerweile mindestens genauso viele Stunden täglich,
wie es Taylor
jahrelang vorlebte. Der beste Dartspieler aller Zeiten hatte ein
unglückliches
Jahr, gefolgt von Selbstzweifeln und mangelnder Motivation. Der
verlorene Titel
im Jahr 2003 brachte ihn erstmals in die Verlegenheit seinen
Rücktritt anzukündigen,
welchen er zwei Wochen später mit dem Satz „Ich kann doch nichts
anderes!“
außer Kraft setzte. Ende 2007 folgten Sätze wie „Ich muss mich
selbst
überprüfen“, „Ich werde kämpfen“ und „Ich werde
mehr als jemals zuvor investieren“.
Ich glaube Taylor selbst ist der Einzige, der sich selbst über
die letzten
Monate abgeschrieben hatte. Das Gefühl nicht mehr der unumstrittene
König
zu sein, muss schmerzen. Knapp 15 Jahre hat er die Dartwelt nach
belieben dominiert,
Gegner am Board zerstört und sehr viel Geld verdient. Gejagt vom
eigenen Ehrgeiz
kann er das Erreichte nicht genießen, geschweige denn sich damit
abfinden,
dass er nicht mehr jedes Spiel gewinnen kann. Eine Routine ist
außer Kraft
gesetzt worden. Der Dauersieger gewinnt nicht mehr alles. „Gestern
ging es
doch auch, warum nicht heute?“ Das urplötzliche Zittern beim
letzten Dart
auf das entscheidende Doppel, das Nachdenken über Misserfolg
während des
Spiels, alles Dinge die Phil Taylor
bisher nicht kannte. Diese Dinge waren ihm genauso fremd, wie eine
Niederlage im
Viertelfinale einer Weltmeisterschaft. Wie eine Dampfwalze ist er
jahrelang durch
die Weltrangliste gefahren, sammelte Skalp um Skalp. Die Gegner im
Jahr 2008 haben
immer noch Respekt. Respekt, aber keine Angst! Dies ist der kleine
aber feine Unterschied.
Permanente Averages von über 100 bleiben aus, die Nervosität
steigt. Neue
Darts, das Mittel um die letzten Motivationsreserven zu
mobilisieren. Auf Biegen
und Brechen wird nun alles versucht. Keiner könnte es ihm
verdenken, wenn er
von heute auf morgen einpacken würde. Er hat ausnahmslos alles
gewonnen, was
es auf diesem Planeten zu gewinnen gibt. Alles, und zwar mehrfach!
Aber es macht
ihn trotzdem momentan eher unglücklich als zufrieden. Taylor sagte
mir: „Wenn
ich irgendwann nur noch verliere, dann höre ich sofort auf. Das
möchte
ich meinen Fans nicht antun!“ Das ist offensichtlich ein
Gedankenfehler. Anscheinend
denkt er wirklich, dass er nur Fans hat, wenn er permanent alles
gewinnt! Fan eines
Vereins, oder einer Person zu sein bedeutet doch mit diesem/r durch
Höhen und
Tiefen zu gehen und nicht nur Erfolge zu feiern. Fans von Eintracht
Frankfurt oder
Rot Weiß Essen wissen was ich meine…
Zig Weltmeisterschaften hat „The Power“ mit seinen Taylor-Darts
gewonnen,
momentan haben sie aufgrund einer kleinen, kurzfristigen mentalen
Schwäche
ausgedient. Jeder von uns kennt es nur zu gut. Ich nehme einen
fremden Satz Darts
in die Hand und schmeiße besser, als mit meinen eigenen Pfeilen.
Das geht
ungefähr 30 Minuten gut, dann schmeiße ich wieder Mist. Auf
Taylor’s
Niveau geht es drei Monate gut, danach kommt wahrscheinlich
ebenfalls ein Leistungsknick.
Am Ende des Tages sind es wieder „Taylor Purists“, die einen Titel
gewinnen
werden. Er nutzt einfach momentan jedes Mittel und jeden Weg um
sich fokussieren
zu können. Die Niederlage gegen Peter Manley
in der Premier League
war wohl der Wendepunkt seiner Krise. Wie sagte er in einem
Interview? „Ich
muss jetzt endlich aus dem Ar*** kommen!“ Wie recht er damit hat!
Anscheinend
hat er realisiert, dass er einfach das tun muss, was er besser
kann, als jeder andere
Spieler auf der Tour. Werfen, ohne einen Gedanken an eine
Niederlage zu verschwenden!
Er ist in der Lage während eines Spiels seine Gedanken völlig
auszublenden,
was seine frühere Finish-Stärke oder eine 180 in Druck-Situationen
unterstreicht.
Wayne Mardle
musste dies schmerzlich erfahren. Als erfolgreicher Spieler darfst
Du während
eines Matches nicht denken, schon gar nicht „das treffe ich nie“.
Auf
Unsicherheit folgt Nervosität, der Tod eines jeden Darters. Das
weiß
nun auch ein Phil Taylor.
Die Nervosität verschwindet von Sieg zu Sieg und Taylor wird wieder
siegen,
ob mit „sigmas“ oder mit seinen alten „Purists“ oder mit
irgendwelchen
Messingklumpen aus der Kneipe um die Ecke. Er kann wirklich mit
jeder Art von Dart
spielen. Das macht wahrscheinlich den Unterschied zwischen einem
Weltmeister und
einem Ligaspieler.
Michael Rosenauers
Ausflug in die Welt der Schwergewichte endete schon nach dem ersten
Turnier. Die
von Unicorn eigens zur Verfügung gestellten 25 Gramm schweren
Rosenauer Darts
überlebten zwar das GDC Turnier in Köln-Hürth, mussten
anschließend
aber den altbewährten 19 Gramm schweren Fliegengewichten weichen.
Es war ein
Versuch, dabei ist es geblieben.
Manche Profis wechseln oder ändern den Grip ihres Barrels
dreimal im Jahr,
ohne dass es jemand merkt. Bei Taylor und Barneveld ist das etwas
anders. Okay,
schwarze Ceramic-Darts fallen doch mehr auf… Was ist aus diesen
Darts eigentlich
geworden? Sie werden diese Woche an die Einzelhändler verschickt,
jedoch nicht
mehr mit Barney als Werbeträger. Raymond hat sich für seine
„alten“
Darts entschieden, mit denen er gegen Taylor das Finale der
Weltmeisterschaft gewann.
Alle (Dart-)Welt weiß, dass es sich hierbei um einen Barrel der
Firma Bulls
handelt. Modell Shark, 25 Gramm schwer und mit der durch Gary Anderson
bekannt gewordenen Spitze. Raymond van Barneveld
hat sich dieses eine Set Darts ganz offiziell in einem Dart-Shop
gekauft (und bezahlt).
Mittlerweile machen viele Shops mit Raymonds Namen für diesen Dart
Werbung.
Nicht die feine englische Art, aber so ist das Geschäft!
Jeder Spieler sollte selbst entscheiden, ob er einen neuen Dart
ausprobieren möchte,
nur sei vor den Folgen gewarnt! Es gibt Spieler die wechseln in
einem Match die
Darts, reisen permanent mit 3-4 verschiedenen Sets im Gepäck zu
Turnieren und
Lagaspielen. Es gibt nichts Schlimmeres… Die Birne macht irgendwann
nicht mehr
mit! Entweder man zieht eine Sache konsequent durch, oder man
bleibt bei seinen
alten Darts. Bestes Bespiel ist Wayne Mardle!
Egal ob er mit Target oder Harrows einen Vertrag hat oder hatte,
die Darts sind
immer die Gleichen! Sie sind 22 Jahre alt und sehen völlig fertig
aus. Man
kann zwar den offiziellen Mardle-Dart kaufen, jedoch ist es nicht
der Dart, den
Wayne selbst spielt. Wayne Mardle sagt:
„Wenn ich verliere liegt es an mir und nicht an meinen Darts!“
Wussten wir das nicht schon längst?
Übrigens, ich habe mir die „sigma“-Darts in 25gr. Gekauft! Die
musste
ich einfach testen…
„Game On…“
Foto der Barrels © www.darter.ch
