
Es war zweifellos das beste Jahr in der Karriere von Martin Schindler. Deshalb wird er bei der kommenden Weltmeisterschaft auch erstmals gesetzt sein. Manche sehen ihn auch als kommende deutsche Nummer Eins. Ein Makel bleibt vorerst aber: Auf der Bühne im Ally Pally hat „The Wall“ noch kein Spiel gewonnen.
Das Jahr 2022
Es ging schon gut los mit drei gewonnenen Spielen und einem damit verbundenen Run unter die letzten 32 bei den UK Open. Im selben Monat folgten ein Halbfinale und die erste Endspielteilnahme bei Players Championships. Zwei Viertelfinals auf der European Tour und ein weiteres Halbfinale auf der Pro Tour kamen noch im Laufe der ersten Jahreshälfte hinzu. So konnte Schindler die ersten Früchte ernten: Er gab sowohl beim World Matchplay, als auch beim World Grand Prix sein Debüt. Jeweils stand ihm bereits in Runde 1 Gerwyn Price im Weg.
Im Herbst kamen noch zwei Halbfinals und ein Viertelfinale auf den verschiedenen Touren hinzu. Bei der European Championship bekam der Wahl-Hesse von José de Sousa die Grenzen aufgezeigt. Bitter wurde es beim Grand Slam of Darts, als Schindler Gruppen-Dritter wurde und in zwei Spielen Matchdarts vergab. Dass es auch anders geht, zeigte er bei den Players Championship Finals mit seinem ersten Achtelfinale bei einem TV-Ranglistenturnier. Insgesamt stehen fast 120.000 britische Pfund an Einnahmen alleine in 2022 zu Buche. Das ist sehr beeindruckend.
Die Auslosung
Erstmals darf sich Schindler als Gesetzter über ein Freilos freuen. Erst im ersten Spiel der Abendsession am 23. Dezember beginnt die WM für ihn in der zweiten Runde gegen Martin Lukeman, oder Nobuhiro Yamamoto. Während der Qualifikant Yamamoto eher zu den Außenseitern zu zählen ist, hat sich Lukeman ähnlich wie Schindler stark entwickelt und in diesem Jahr vielen Kontrahenten Kopfzerbrechen bereitet. Bei einem Weiterkommen wartet aller Voraussicht nach am späten Abend des 28. Dezember Michael Smith. Im Achtelfinale könnte Joe Cullen der Prüfstein sein.
Ziele und Chancen
Insgesamt hätte es wohl leichtere Lose gegeben. Vor allem, wenn man davon ausgeht, dass Martin Lukeman der Zweitrundengegner wird. Er und Schindler haben sich dieses Jahr schon einige brisante Duelle geliefert, nicht immer mit einem guten Ausgang für Deutschlands Nummer Zwei. Hier läuft alles auf eine erneut enge Partie hinaus. Auch Michael Smith wäre angesichts seiner letzten Erfolge kein angenehmer Kontrahent.
Schindler wird zunächst einmal alles daran setzen, endlich seinen persönlichen WM-Fluch zu brechen und den ersten Sieg einzufahren. Wenn das gelingt, kann er gegen Smith ohne Druck aufspielen. Inzwischen hat er das Spiel, um auch dem „Bully Boy“ das Leben schwer zu machen. „The Wall“ hat in diesem Jahr viele Erfahrungen zum ersten Mal gemacht. Er konnte lernen und diese WM wird zeigen, wie nachhaltig diese Lernkurve bereits ist.
Interview
Dartn.de: Wie schätzt du deine Auslosung
ein?
Schindler: Ich schätze zunächst mal, dass es
Martin Lukeman wird, weil der deutlich erfahrener ist als der
Japaner. Ich konzentriere mich auf mich, ich werde versuchen, mein
Ding zu machen und das ist das, was zählt. Wenn ich oben bin und
mein Spiel spiele denke ich, dass ich vielen gefährlich werden und
viele Spiele gewinnen kann.
Dartn.de: Hast du dir ein bestimmtes Ziel für
die WM gesetzt?
Dartn.de: An sich möchte ich natürlich gerne erst
einmal diese erste Hürde schaffen und mein erstes Spiel gewinnen.
Das wäre schon mal echt ein toller Anfang. Die Chancen, dass es in
der dritten Runde Michael Smith wird, sind natürlich sehr hoch. Ich
denke mal: Erst mal ein Spiel gewinnen und dann schauen wir, was
passiert. Smith ist ja jetzt nicht umsonst Major-Sieger, hat es
definitiv vielen bewiesen und sollte es dazu kommen, wird das
natürlich eine schwere Aufgabe.
Dartn.de: Wie bewertest du dein Jahr 2022, das
dich ja bis auf Platz 29 der Weltrangliste gebracht hat?
Schindler: Es war ein fantastisches Jahr. Ich war
super viel auf der European Tour unterwegs und auch auf der Pro
Tour gab es viele und konstante Erfolge. Das ist etwas, was mir
persönlich viel bedeutet: Diese Konstanz über das gesamte Jahr
verteilt. Es war sehr gut und sehr wichtig für mich. World
Matchplay gespielt, World Grand Prix gespielt, zwei Majors, die ich
noch nie gespielt habe. Ansonsten war der Erfolg bei den Majors
auch echt in Ordnung. Klar gab es Chancen und Möglichkeiten, aber
alles Schritt für Schritt. Es war noch nicht an der Zeit. Auf ein
besseres in 2023. Da würde ich gerne all das noch mal
bestätigen.
Dartn.de: Was macht dich optimistisch, dass du
diesmal endlich den ersten Sieg auf der WM-Bühne einfahren
kannst?
Schindler: Ich fühl mich halt einfach gut. Wie
gesagt: Ich habe ein gutes Jahr gespielt und ich hoffe einfach,
dass wenn ich mein Spiel auf die Bühne bringe und wirklich auch in
den Flow reinkomme, dann sollte das auch definitiv machbar sein.
Ich bin natürlich auch erfahrener und jetzt bin ich mal gespannt,
was dieses Jahr im Ally Pally passiert. Versprechen kann ich es
nicht, aber ich werde natürlich alles geben, dass ich als Sieger
von der Bühne gehe.
Dartn.de: Wie sieht bei dir die Vorbereitung
aus? Ist das nur Training an der Scheibe, oder auch in anderen
Bereichen?
Schindler: Natürlich geht es auch wieder ein
bisschen in die mentale Schiene rein. Die WM ist super wichtig,
hier geht es um richtig viel Preisgeld. Das heißt, man muss auch
mental dafür arbeiten, einfach auch, um dem Druck standzuhalten.
Man merkt natürlich, dass gerade die ganzen Internetseiten,
Radiosender, TV-Sender auf einen zukommen und unbedingt Interviews
wollen. Da merkst du schon, dass viele Augen wieder auf dich
gerichtet sind. Da muss man sich dann im Klaren darüber sein, dass
man vor allem Dart spielt und nicht eine Person des öffentlichen
Lebens ist, wenn ich das so sagen kann. Man muss wirklich beim
Thema bleiben als Dartprofi, das ist das entscheidenste. Ansonsten
trainingstechnisch muss ich natürlich schauen, dass ich in das
Timing reinkomme, in die Power-Scores. Das sind die entscheidensten
Sachen bei diesem Format. Ich versuche das beides zu trainieren und
dann hoffe ich, dass ich gewappnet bin für die
Weltmeisterschaft.
Dartn.de: Auf was freust du dich bei dieser
Weltmeisterschaft am meisten?
Schindler: Ich freue mich am meisten, dass ich
wieder mit dabei bin, sogar als gesetzter Spieler. Wenn ich es
vorher nie geschafft habe, mal ein Spiel im Ally Pally zu gewinnen,
dann eben mal als Gesetzter da hinfahren und so gleich mal eine
Runde weiterzukommen. Wie cool ist das denn. Das ist schon wirklich
fantastisch.
Useful Stats – presented by Darts Orakel:
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Saison-Average: 94,92 (Platz 19 der PDC)
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Saison-Doppelquote: 38,25% (Platz 48 der PDC)
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Martin Schindler gehörte in diesem Jahr zu einem der stärksten 180-Hitter auf der Tour. Bei seinem Finaleinzug im achten Turnier auf der Pro Tour verpasste er den Rekord an 180ern in einem PC nur um ein Maximum, bei den Floor-Turnieren warf Schindler mit 272 180ern so viele, wie noch nie ein Deutscher zuvor.
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Auch über die Floor-Turniere hinaus war Martin Schindlers Rate an 180ern pro Leg überragend im Jahr 2022: Im Schnitt warf die deutsche Nummer 2 0,327 Maxima in jedem Leg, innerhalb der letzten zwei Jahre konnte er diese Quote um etwa 0,1 steigern. Keiner aus den Top 3 der Weltrangliste hatte in dieser Saison eine solch starke 180er-Rate.
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Bei den Players Championship Turnier bestach Schindler vor allem durch seine Konstanz: In 25 Pro Tour Turnieren überstand er seine erste Hürde, kein anderer Spieler hat das so häufig in dieser Saison geschafft. Insgesamt gewann Martin Schindler 61,59% der Legs in der Runde der Letzten 128 auf der Tour, nur bei einem Turnier entschied er weniger als vier Legs für sich.
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Martin Schindlers Average lag in 2022 um 1,78 Punkte höher, wenn er aus dem Rückstand heraus agieren musste (96,12), als wenn er in Front lag (94,34). Im Mai 2022 erzielte er gar einen Average von über 100 Punkten in Rückstand und war damit besser, als jeder einzelne Spieler innerhalb der Top 10 der Weltrangliste in diesem Monat.
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Mit der Weltmeisterschaft konnte sich Martin Schindler in seiner Karriere noch nicht wirklich anfreunden: Im Durchschnitt stellte Schindler bei seinen Auftritten im Alexandra Palace nur einen 85,63 Average auf, dabei war sein Average von 88,52 Punkten im letzten Jahr noch der höchste. Auf dieser Bühne konnte Schindler bisher weder ein Highfinish herausnehmen, noch ein Leg in vier Aufnahmen beenden.
Weitere Informationen zur Weltmeisterschaft:
Alle Infos zum Spieler [Spielerprofil]
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Foto-Credit: Taylor Lanning/PDC
[kb]

