Kommentar zu den neuen PDC-Regeln: Das Märchen von 128 Vollprofis

Montag, 29. Januar 2024 16:07 - Dart News von dartn.de

Drei Wochen ist es her, seit die PDC neue Regeln unter anderem für die European Tour bekannt gegeben hat. Unser Autor Kevin Barth hat auch mit etwas Abstand kein Verständnis dafür. In seinem Kommentar schreibt er, dass das ohnehin schon auf die besten der besten ausgelegte System nun noch ungerechter werde.

Worüber reden wir eigentlich?

In den Diskussionen zu den Regeländerungen wird immer noch vieles durcheinandergeworfen. Selbst Elmar Paulke stellt das Wesentliche in seinem Podcast falsch dar. Deshalb hier noch einmal das Wichtigste zusammengefasst: Bei einem Event der European Tour sind zukünftig zunächst einmal die Top 16 der Weltrangliste automatisch qualifiziert, die auch gemeldet haben. Hinzu kommen die Top 16 der Pro Tour, die noch nicht über die Weltrangliste qualifiziert sind.

Aus diesen 32 Spielern werden dann die 16 gesetzt, die in der Pro Tour-Rangliste am besten platziert sind. Diese 16 steigen erst in der zweiten Runde, also am Samstag (in München am Sonntag) ein. Ihr gewonnenes Preisgeld zählt erst für die Ranglisten, wenn sie mindestens ein Match gewinnen. Peter Wright ist zum Beispiel aufgrund seiner Weltranglistenposition automatisch mit dabei, wäre aber wenn alle Teilnahmeberechtigten auch tatsächlich melden, nicht gesetzt, weil er in der Pro Tour-Rangliste außerhalb der Top 16 steht. Aus deutscher Sicht wäre dagegen Ricardo Pietreczko als Nummer 16 gesetzt, weil er in der Pro Tour entsprechend hoch platziert ist.

Die verbleibenden 16 Plätze werden über Qualifikationsturniere aufgefüllt: Pro Event gibt es zehn für die restlichen Besitzer einer Tourkarte (vorher 24). Die besten beiden Spieler eines Landes in der Pro-Tour-Rangliste haben ab sofort kein Startrecht mehr, genauso fällt der Qualifier für Associate Members weg. Stattdessen gibt es vier statt zwei Host Nation Qualifier. Unverändert bleibt ein Ticket für die Region Nordic & Baltic sowie Osteuropa.

Zerstörtes Gleichgewicht

In den vergangenen Jahren gab es immer wieder wahre Liebesbekundungen für die European Tour. Es waren nur 18 Spieler automatisch qualifiziert, aber die kamen von der Pro Tour und spiegelten damit deutlich mehr aktuelle Formtrends wieder. Außerdem wurden 24 Plätze in einem Qualifier unter den Tourcardholdern ausgespielt. Hier konnte jeder die ganz große Geschichte landen und damit auch ein Sprungbrett in andere Turniere und höhere Ranglistenregionen schaffen.

Ab dieser Saison werden sich dagegen einige Spieler so fühlen, als sei ständig Weihnachten. An die oben genannten 32 Spieler, die ohnehin schon auf der Tour etabliert sind, verteilt die PDC nämlich kräftig Geschenke. Vor allem, weil diejenigen, die sich nicht qualifizieren müssen und bereits in der ersten Runde einsteigen, noch nicht einmal einen Matchgewinn brauchen, sondern direkt ihr Preisgeld sicher haben. Damit wird es für alle außerhalb dieses erlauchten Kreises sehr schwer, ins Starterfeld der European Championship zu kommen. Auch bei anderen großen Turnieren wie dem World Matchplay oder dem Grand Prix wird nur noch wenig Fluktuation stattfinden.

Bleiben wir beim Beispiel Peter Wright: Wenn er weiterhin ungesetzt, aber aufgrund seiner Weltranglistenplatzierung für jedes Event qualifiziert sein sollte, fließen mindestens 16.250 britische Pfund in seine Ranglisten ein. Womöglich bräuchte er dann nur noch ein gewonnenes Match, um bereits sicher bei der European Championship zu sein. Dort kommt dann die Mindestprämie von £7.500 alleine für die Teilnahme noch oben drauf. Das macht alleine £25.000, ohne konstant Leistung bringen zu müssen. Ein doppelter Boden für die Topstars, die sollen ja vor lauter Premier League und World Series nicht in die Verlegenheit kommen, in die Qualifikation zu müssen. Eine Runde Mitleid, fast wäre der Notstand ausgebrochen.

Wie war das noch mit mehr Vollprofis?

Spätestens jetzt hat die PDC eine Zweiklassengesellschaft zementiert. Wer aktuell unten steht, oder neu einsteigt hat es noch schwerer, in die Top 32 oder gar Top 16 zu kommen. Wer schon oben steht, bleibt wohl auch in den meisten Fällen dort, der Aufwand dafür ist kleiner geworden. Einerseits werden alle Players Championships unter die Woche verlegt und die Verantwortlichen hoffen, dass dadurch alle Tourcardholder den Schritt zum Vollprofi wagen. Eine Preisgelderhöhung für diese Turniere gab es ja auch. Andererseits wird der Zugang zur European Tour stark eingeschränkt, was bei einigen von weiter unten in der Pyramide eher ein finanzielles Minus bedeutet.

Es wird also weiterhin etwa die Hälfte der Spieler nicht vom Dartsport leben können, obwohl sie eine Tourkarte besitzen. Rechenbeispiel: Alleine 17 Spieler, die im letzten Jahr neu eine Tourkarte besaßen und regelmäßig Turniere spielten, verdienten dabei weniger als £20.000. Wenn die PDC wirklich allen ein Leben als Vollprofi hätte ermöglichen wollen, hätten daraus ganz andere Maßnahmen folgen müssen. Antrittsgelder bei den Players Championships und den UK Open sowie eine Beibehaltung der European Tour aus den Vorjahren wären das Mindeste gewesen. So aber bekommen diejenigen, die schon viel haben noch mehr und die anderen müssen schauen, wie sie es machen. Das Gerede von 128 Vollprofis bleibt am Ende nichts anderes als ein Märchen.

Die neuen Regeln mögen im Übrigen auch finanzielle Gründe gehabt haben. Anscheinend hofft die PDC darauf, dass freitags die Hallen auf der European Tour voller werden, weil künftig große Namen schon früher zu sehen sind. Ich bezweifle, dass diese Rechnung aufgeht. Ohne den ganz großen Spitzenspieler wird der Dart-Boom in Deutschland nicht noch sonderlich größer werden. Kaum jemand wird sich am Freitagnachmittag ein Ticket kaufen, nur weil jetzt ein paar bekannte Gesichter mehr dabei sind. Die meisten Fans bemerken meiner Erfahrung nach erst während ihrem Besuch, dass ein bestimmter Spieler möglicherweise fehlt.

Wie ich es auch drehe und wende: Diese neue European Tour wird immer einen faden Beigeschmack haben. Und sie zeigt auch, dass die PDC mittlerweile vor nichts mehr zurückschreckt. Priviligien für die Besten scheinen über allem zu stehen. Man muss nicht viel Fantasie haben, um sich auszumalen, was als nächstes folgt. Players Championship Finals, für die sich die Top 16 der Welt nicht mal mehr qualifizieren müssen, scheinen mir der nächste logische Schritt zu sein.

Video: Gewinner und Verlierer der Regel-Änderung

Anhand von 6 verschiedenen Spielertypen haben wir zusätzlich in Zahlen ausgedrückt, wer von der Regel-Änderung besonders profitieren wird oder benachteiligt ist.

 

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Foto-Credit: PDC

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Quelle: dartn.de

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