Was haben Michael Smith, Peter Wright, Rob Cross, Dimitri van den Bergh und Joe Cullen gemeinsam? Alle sind Major-Champions, drei von ihnen sogar Weltmeister – und in der Weltrangliste nicht mehr in den Top 16. Die Darts-WM 2026 bietet für sie zugleich das Risiko, noch weiter abzurutschen, und die Chance, wieder Schwung in ihre Karriere zu bringen. Wem gelingt es? Wir analysieren die Situationen, Form, Gegner und Aussichten der großen Namen im freien Fall.
Michael Smith: Von Verletzungen weit zurückgeworfen
Vor drei Jahren krönte sich Michael Smith zum Weltmeister,
vor zwei Jahren ging er noch als Nummer eins in die WM. In diesem
Jahr fährt er als Nummer 28 der Welt in den Alexandra Palace. Eine
Seuchensaison, geprägt von Arthritis in mehreren Gelenken und einer
Schulterverletzung, hat den „Bully Boy“ im Ranking weit nach unten
getrieben. Die gesundheitlichen Probleme sind massiv und schränken
Smith nicht nur im Training ein. Vor jedem Match ist die
Unsicherheit da, ob Schulter und Handgelenk zu sehr schmerzen, um
eine gute Performance zu ermöglichen. Selbst mit bestmöglicher
Behandlung ist eine vollständige Heilung praktisch undenkbar.
Trotzdem lässt sich Smith nicht unterkriegen, sondern versucht
alles, um sich wieder nach vorne zu spielen. Es plagt ihn, dass er
nicht mehr im Rampenlicht steht, dass er „vergessen“ wurde, seit er
aus den Top 16 gefallen ist. Mit einem guten Grand Slam of Darts samt Viertelfinaleinzug gab er nach
mehreren verpassten Majors immerhin nochmal ein Lebenszeichen von
sich. Bei der WM hat er im Ranking ein Achtelfinale zu
verteidigen.
Immerhin sein Spielplan sieht durchaus lösbar aus. In seinem
Turnier-Achtel heißen die gesetzten Spieler Jonny
Clayton, Ross Smith und Dave Chisnall. Der Topgesetzte
Spieler seines Turnierviertels ist Stephen Bunting, der
ebenso wie Clayton zuletzt in vielen Majors früh scheiterte. Wendet
man den Blick weg von den Ranking-Zahlen, ist Smith noch immer der
größte Name dieses Abschnitts des Draws. Die Frage ist nicht, ob er
das Zeug dazu hat, einen tiefen Run hinzulegen. Die Frage ist, ob
seine Gesundheit es ihm erlauben wird.
Peter Wright: Gelingt Snakebite ein letztes Highlight?
Mit WM-Titeln in den Jahren 2020 und 2022 sowie sechs weiteren
Major-Erfolgen ist Peter Wright einer der besten Spieler der
Darts-Geschichte. Die ehemalige Nummer eins der Welt ist inzwischen
55 Jahre alt und nicht mehr am Höhepunkt ihres Schaffens. Die
European Champiosnhip 2023 war Wrights
letzter Major-Titel und fiel vor einigen Wochen aus dem Ranking
heraus. Nun ist der Schotte nur noch die Nummer 30 der Welt, was
seine sehr durchwachsenen Leistungen der letzten beiden Jahre
leistungsgerecht widerspiegelt. Viele schwache Auftritte
besiegelten Erstrunden-Niederlagen, oftmals rutschte sein Average
auf weit unter 90 Punkte. Auf den überraschenden Viertelfinaleinzug
bei der letzten WM, inklusive Triumph über Titelverteidiger
Luke Humphries, folgte kein weiteres Major-Viertelfinale im
Jahr 2025.
Nun ist Wright so niedrig gesetzt wie zuletzt vor 14 Jahren – und
könnte es schon in Runde drei mit Michael van Gerwen zu
tun bekommen. In seinem Turnierviertel befinden sich auch Spieler
wie die formstarken Josh Rock und Danny Noppert, Altstar
Gary Anderson und Jermaine Wattimena, der
zuletzt viele sehr hohe Averages produzierte. Wright selbst gibt
sich überzeugt, ein drittes Mal Weltmeister werden zu können.
Realistischerweise muss man aber erst einmal sehen, ob er seine
ersten beiden Partien gegen Noa-Lynn van Leuven und den
Sieger des Spiels zwischen Kim Huybrechts und Arno
Merk gewinnt, um die Chance auf einen weiteren Coup zu
bekommen.
Rob Cross: Null Major-Viertelfinals in 2025
Der Weltmeister von 2018 hat in den Jahren 2019 und 2021 weitere
Major-Turniere gewonnen und stand auch 2022 und 2023 in großen
Finals, die ihn im Ranking weit oben hielten. In den Jahren 2024
und 2025 ist Rob Cross diesbezüglich jedoch blank. Seit dem
WM-Halbfinale vor zwei Jahren stand er nicht einmal mehr unter den
letzten vier eines großen Turniers, in diesem Jahr reichte es nicht
einmal zu einem Viertelfinale vor TV-Kameras, für den Grand Slam qualifizierte er sich erstmals in seiner
Profikarriere nicht. Die Ausreißer nach oben fehlen komplett, und
sein größter Erfolg der jüngeren Vergangenheit wird nach der WM
2026 aus dem Ranking verschwinden.
Somit ist Cross auf Platz 17 der Weltrangliste abgerutscht, und der
Fall droht noch tiefer zu werden. Zurück in die Top 16 kann es
realistisch nur gehen, wenn er sein WM-Halbfinale von vor zwei
Jahren bestätigt. Dafür muss er aber wohl an Luke
Littler vorbei, der im Achtelfinale warten dürfte. Blickt man
aber auf Cross‘ Form, geht es eher darum, das nächste frühe Aus zu
verhindern. Cor Dekker ist sein erster Gegner, mit Ian White
oder Mervyn King wartet Erfahrung in Runde zwei. In Runde drei
wäre er gegen den ebenfalls zuletzt formschwachen Damon Heta immerhin nicht der Underdog. Allerdings
bräuchte Cross einen großen Coup, um nicht weiter abzurutschen –
einen Sieg über Littler oder jemanden, der den Titelverteidiger in
dessen ersten drei Spielen aus dem Weg räumt. Auf beides deutet
aktuell sehr wenig hin.
Dimitri van den Bergh: Gefühlt immer noch in der Pause
„Zehn Jahre lang habe ich jedes Turnier gespielt, das ich
konnte, und mich immer weiter gepusht“, äußerte sich Dimitri van den Bergh im Sommer gegenüber talkSPORT
Darts. Dann habe er eine Pause gebraucht, für sein
Familienleben, vor allem aber für seine Gesundheit, körperlich und
mental. Der Sport ist jedoch erbarmungslos: Wer pausiert, wird
durchgereicht. Van den Bergh hat seit den UK Open im März kein
Major-Turnier mehr gespielt und belegt im Jahresranking Platz 45.
Noch zehrt er von seinem Triumph bei den UK Open 2024, der ihn auf
Rang 23 der Weltrangliste hält.
Nun war van den Bergh so lange nicht mehr bei großen Turnieren
dabei, dass es unmöglich ist, seine Form zur WM vorherzusagen. Klar
ist aber: Gewinnt er seine ersten beiden Spiele, wäre potenziell
mit Gian van Veen einer der besten Spieler des Jahres sein
Drittrundengegner. Zudem befindet sich Luke Humphries in
seinem Turnierviertel. Zumindest kurzfristig hat van den Bergh
wenig Druck, im Ally Pally muss er nur eine Zweitrunden-Niederlage
fürs Ranking verteidigen. Und er weiß, wie es ist, weit zu kommen –
2023 stand er im Halbfinale, 2018 und 2020 im Viertelfinale. Ein
entspannter van den Bergh, der heimlich, still und leise Form
aufgebaut hat, kann bei der Weltmeisterschaft für die eine oder
andere Überraschung sorgen.
Joe Cullen: Wenig Motivation, schlechte Form
Im Jahr 2022 gewann Joe Cullen das Masters und war wenige
Monate später einen Dart davon entfernt, auch Premier-League-Champion zu werden. Dass er im Jahr darauf
nicht wieder für die Eliteliga nominiert wurde, machte dem Rockstar
lange zu schaffen. Seither geht es mit seiner Form schleichend
bergab, nur einzelne Highlights hielten ihn noch eine Weile über
Wasser. Aus den letzten beiden Jahren resultiert jedoch nur ein
Major-Viertelfinale, und ähnlich wie Wright spielt auch Cullen
teilweise unterirdische Averages, wenn man Top-Niveau zum Maßstab
nimmt.
Der 36-Jährige hat gestanden, seine Liebe für das Spiel verloren zu
haben. Er muss wieder mehr arbeiten, um die Konstanz zu erreichen,
die ihn lange in den Top 16 hielt. Zunächst geht es aber darum,
nicht aus den Top 32 zu fallen. Das wird nicht einfach, Cullen hat
mit Bradley Brooks eines der schwerstmöglichen Erstrunden-Lose
erwischt. Setzt er sich zweimal gegen ungesetzte Spieler durch, was
schon nicht selbstverständlich ist, wäre Luke Littler sein
potenzieller Drittrundengegner. Nur ein Joe Cullen, der sein A-Game
auspackt und zudem von einem schlechten Tag des Titelverteidigers
profitieren kann, hat die Chance auf einen Run. Ansonsten heißt es:
Im nächsten Jahr wieder ackern, die Privilegien nicht für
selbstverständlich halten, und die Freude am Spiel
wiederfinden.
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Foto-Credit: PDC
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